Bhâgavata Vâhinî

Sathya Sai Baba erläutert hier das spirituelle Streben von Arjunas Enkel Parikshit, der begierig den Erzählungen über das Leben Krischnas „Bhagavata" von seinem allwissenden Meister Shuka lauscht, um seine noch kurze Lebenspanne für das göttliche Ziel „Befreiung" zu heiligen.

ISBN 3-932957-46-8


Die VAHINIS sind in digitaler Form auf Englisch kostenlos hier zu finden: open Vahinis

Die deutsche Übersetzung ist als als Buch (Print) beim Sathya Sai Buchzentrum und im Buchhandel erhätlich.
Anmerkung: Es dürfen laut gesetzlicher Vorgabe im deutschen Buchmarkt keine kostenlosen digitalen Bücher, die als gedruckte Version verkauft werden, zur Verfügung gestellt werden. Daher können wir hier nur mit einer Leseprobe dienen.


Leseprobe:

Als Shuka diese Worte gesprochen hatte, unterbrach der König ihn mit der Frage: „Meister! Wie konnte mâyâ solch überwältigende Macht erlangen? Wer hat mâyâ die Fähigkeit verliehen, die Glorie Gottes selbst zu verbergen? Und was ist wirklich das wahre Wesen von mâyâ? Bitte sage es mir!“ Shuka erklärte daraufhin: „O König! Diese mâyâ ist nichts Eigenständiges, das eine eigene Form hätte. Es ist so, daß Gott einzig mit der Hülle von mâyâ unterscheidbar wird. Er ist offenbar, weil er sich mit mâyâ ausgestattet hat, sie sozusagen als Kleidung trägt. Sie ist sein Attribut (upâdhi), das heißt, mâyâ lenkt die Sicht ab von der Wirklichkeit. Es ist das Wesen der mâyâ, die Wirklichkeit zu verbergen und sie als unwirklich erscheinen zu lassen. Wer sie entfernt, vernichtet, davonjagt, durch sie hindurchgeht - einzig der kann Gott erlangen. Mâyâ gaukelt dir vor, daß das Nicht-Existente existiert. Sie täuscht Wasser in der Fata Morgana vor, sie bringt dich dazu, daß dir das, was du dir vorstellst und wünschst, als Wahrheit erscheint. Die Täuschung kann den Menschen nicht beeinflussen, wenn er imstande ist, seine Wünsche und Vorstellungen und das Pläneschmieden aufzugeben. Wie hätte sonst Yashodâ, die mehrfach mit eigenen Augen Krishnas Göttlichkeit wahrgenommen hatte, wieder in den Glauben verfallen können, daß er ihr Sohn sei? Die Vorstellung, der Wunsch, war die Ursache dieser Täuschung. Die Körper sind die von Sohn und Mutter - der wirkliche Kern jedoch, der Bewohner des Körpers (dehin), hat weder einen Sohn noch eine Mutter! Der Mutter- Körper ist mit dem Sohn-Körper verwandt, aber einen Mutter-dehin oder Sohndehin gibt es nicht! Wenn man diesen Glauben in sich festigen kann, dann kann kein Verlangen mehr nach äußerlichen Genüssen aufkommen. Frage und forsche nach, und du wirst die Wahrheit erkennen. Ohne dieses Nachforschen wird die Verblendung wachsen, und der Intellekt wird ihr nach und nach erliegen. Ach, die Rolle, die das Göttliche auf sich nimmt, zeitigt wahrhaft bedeutsame Ergebnisse! Die Lehre des Vedânta sagt, daß man zu der Wirklichkeit, die hinter dieser Rolle liegt, durchstoßen sollte. Das ist der tiefe Sinn der Veden. Durch die Rolle getäuscht, läuft der Mensch den Wünschen nach! Da er den angenommenen Körper für wirklich und wahr hält, verfällt er der mâyâ. Ist es nicht so, daß für jene, deren Aufmerksamkeit sich auf den Körper konzentriert, die innere Person unsichtbar ist? Die Glut der Kohlen ist nicht sichtbar, wenn sie von Asche bedeckt ist. Wo Wolken sich zusammenballen, sind Sonne und Mond nicht zu sehen! Ein dicker Algenteppich auf einem Teich täuscht festen, bewachsenen Boden vor. Wenn die Pupille des Auges vom grauen Star überzogen ist, kann man nichts mehr sehen. Ebenso wird der Bewohner des Körpers überhaupt nicht bemerkt, wenn die Vorstellung vorherrscht, daß der Körper die Wirklichkeit sei.“

„Meister! Heute ist in Wahrheit der Schleier von meinem Bewußtsein genommen. Deine Lehre hat wie ein Windstoß die Asche von den glühenden Kohlen fortgeblasen. Die Illusion, daß dieses aus den fünf Elementen zusammengesetzte Gebilde, das man Körper nennt, das Wirkliche sei, wurde völlig gesprengt und vernichtet. Ich bin gesegnet, ich bin wahrhaft gesegnet!“ Mit diesen Worten fiel Parikshit seinem Guru Shuka zu Füßen.
Währenddessen begannen die versammelten Rishis, Weisen und Bürger sich angeregt zu unterhalten. „Wenn die Zeit abläuft und sich dem Ende zuneigt, muß sich der Körper darauf vorbereiten, abgelegt zu werden“, sprachen sie. „Der Körper fällt zu Boden, wenn die Energieströme, die prânas, darin aufhören zu fließen - das Denken jedoch will nicht aufgeben. Darum müssen immer wieder neue Körper angenommen werden, bis endlich das Geistige in uns leer wird, ohne Inhalt, frei von Ansprüchen. Heute hat nun unser König das Geistige vom Körper zu unterscheiden gelernt! Nun ist er in einem so seligen Zustand, daß nicht einmal mehr die prânas einen Einfluß zeigen. Wenn der Geist für immer in Mâdhava versunken bleibt, wird der Körper durch und durch göttlich und ist nicht mehr menschlich zu nennen.
Die Lehre, die Shuka uns heute zuteil werden ließ, war nicht allein für Parikshit bestimmt - sie gilt für uns alle“, sagten sie. „Diese Lehre gilt allen, die unter der Illusion leiden, sie seien der Körper, in dem sie eingeschlossen sind. Diese Täuschung ist die Ursache der Bindung. Der Glaube jedoch, daß wir der âtman sind, ist das Mittel zur Befreiung. Das Denken, das entweder die Täuschung gutheißt oder die Vorstellung von der wahren Wirklichkeit annimmt, ist daher das Instrument für Bindung wie auch für Befreiung. ‘Einzig das Denken ist für Bindung und Befreiung der Menschen zuständig (mana eva manushyânâm kâranam bandhamokshayo).’ Diese Aussage der Veden ist die uneingeschränkte Wahrheit.“

Die Versammelten saßen mit geschlossenen Augen da, in Gebet und Kontemplation über das versunken, was sie gehört hatten. Als die Sonne sich anschickte unterzugehen, begaben sich die Asketen und Weisen mit ihren Wassergefäßen und Stöcken in den Händen ans Ufer des heiligen Ganges, um ihre abendlichen Zeremonien und Riten zu verrichten.